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(Maximilian Rieländer, veröffentlicht in: „Gesundheit gemeinsam gestalten –
Allianz für Gesundheitsförderung“, herausgegeben von der GesundheitsAkademie
e.V., Frankfurt/M. Mabuse-Verlag, 2001)
“Psychologinnen und Psychologen sind Fachleute der Gesundheitsförderung
für Individuen, Institutionen und soziale Systeme.
Psychologinnen und Psychologen arbeiten seit Jahrzehnten in
verschiedenen Tätigkeitsfeldern für die Gesundheit der Menschen. Mit ihren
Fachkenntnissen und Berufserfahrungen tragen sie als Experten zur Förderung
gesunder Lebens-, Lern-, Arbeits- und Umweltbedingungen sowie zur Förderung
gesunder Lebensgestaltung von Menschen in ihren alltäglichen sozialen
Beziehungen bei.” (Leitsätze des BDP zur Psychologischen Gesundheitsförderung,
1995)
1. Berufsfelder von PsychologInnen für die Gesundheitsförderung
Die gesundheitspolitische Etablierung der
Tätigkeitsfelder Gesundheitsförderung und Prävention in den 80er Jahren
erfolgte durch maßgeblichen Einsatz von PsychologInnen und ihre leitende
Mitarbeit in verschiedenen Organisationen.
Beispiele dafür sind:
-
Ein von der Bundesregierung als Modellförderung unterstütztes
kreisweites Projekt zur Gesundheitsförderung der AOK des Kreises Mettmann wurde
von Psychologen in Zusammenarbeit mit dem von Psychologen geführten Institut für
Therapieforschung (IFT) in München durchgeführt. Für Kurse zur
Gesundheitsförderung wurden Konzeptionen entwickelt, Kursleiterschulungen
durchgeführt und Evaluationen vorgenommen. Diese Entwicklung trug zur
gesetzlichen Einfügung von Prävention und Gesundheitsförderung in den
Leistungskatalog der Krankenkassen bei.
-
In Spitzenverbänden und Landesgeschäftsstellen der Krankenkassen
arbeiteten PsychologInnen für Konzeptionen und Durchführungen im Feld der
Verhaltensprävention und der betrieblichen Gesundheitsförderung.
-
Die Gesundheitsämter verstärkten Aufgaben der Prävention und
stellten dazu vermehrt PsychologInnen ein.
-
Die Selbsthilfebewegung fand einen großen Aufschwung. In vielen
Städten entstanden Selbsthilfe-Kontaktstellen. Diese Bewegung wurde vor allem
von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Selbsthilfegruppen (DAG SHG) unter
maßgeblicher Mitarbeit von PsychologInnen gefördert.
-
In vielen Orten wurden Gesundheitszentren geführt und meist von
psychotherapeutisch ausgebildeten Ärzten und PsychologInnen geleitet, z.B. der
Gesundheitspark im Münchener Olympiastadion.
-
Für Rehabilitationskliniken wurde von der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) unter psychologischer Leitung
in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) das
Programm “Gesundheit selbst machen", ein Vortrags- und Kursprogramm zur
Gesundheitserziehung, in Rehabilitationskliniken als Standardleistung
eingeführt. Kursleiterschulungen zur Durchführung dieses Programmes wurden von
PsychologInnen durchgeführt.
Viele fachliche Anwendungsfelder der Psychologie
tragen zum querschnitthaften Handlungsfeld der Gesundheitsförderung bei:
-
Klinische Psychologie, insbesondere Beratung, Diagnostik und
Therapie bei vielen Arten psychosozialer Störungen;
-
Rehabilitationspsychologie, insbesondere als Hilfen zur Krankheitsbewältigung;
-
Arbeits-, Betriebs und Organisationspsychologie, insbesondere
Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung;
-
Verkehrspsychologie, insbesondere im Problemfeld “Alkohol im
Straßenverkehr” als auch Unfallprävention;
-
Umweltpsychologie, insbesondere Beratung und Fortbildung im Feld
“Umwelt und Gesundheit”
-
Notfallpsychologie, insbesondere psychologische Bewältigung
traumatisierender Ereignisse
-
Schulpsychologie, insbesondere zur Unterstützung schulischer
Gesundheitsförderung.
Die Gesundheitspsychologie, die sich seit den
80er Jahren entfaltet, integriert Fragestellungen und Kenntnisse aus allen
Bereichen der Psychologie und aus den Gesundheitswissenschaften, um
theoretische Modelle und praktische Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
zu entwickeln und ihre Qualität zu sichern.
Gegenwärtige Arbeitsfelder von PsychologInnen für die
Gesundheitsförderung sind folgende:
-
Sie gestalten in verantwortlicher Position Gesundheitsprojekte von
der Konzeptionierung über die Organisation und Durchführung bis hin zur
Evaluation, und zwar
-
in Organisationen des Gesundheitswesens (Träger der
Sozialversicherung, Gesundheitsämter, Gesundheitszentren, Kliniken,
Selbsthilfe-Organisationen, Selbsthilfe-Kontaktstellen, ...),
-
bei kommunalen und sozialen Organisationen (Wohlfahrtsverbänden,
Beratungsstellen, ...),
-
bei wirtschaftlichen Organisationen (Betriebe, Einrichtungen zur
beruflichen Rehabilitation),
-
in Erziehungs- und Bildungsinstitutionen (Schulen,
Familienbildungsstätten, Volkshochschulen).
-
Sie sind im Gesundheits-Management koordinierend für
Gesundheitsaufgaben und Gesundheitsförderung in verschiedenartigen
Organisationen tätig:
-
Träger der Sozialversicherung (Krankenkassen, Rentenversicherung,
Unfallversicherung, ...)
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kommunaler Bereich: Gemeinden, Landkreise
-
Gesundheitspolitik in Ländern und im Bund
-
Modellprojekte
-
Gesundheitshäuser, Gesundheitszentren
-
Selbsthilfe-Kontaktstellen und -Organisationen
-
Sie führen an Hochschulen Forschung und Lehre zur Gesundheits- und
Umweltpsychologie und zu gesundheits- und umweltpsychologischen Aspekten im
Rahmen der Psychologie und Gesundheitswissenschaften durch.
-
Sie führen für Angehörige pädagogischer, psychosozialer und
medizinischer Berufe sowie für Führungskräfte in der Arbeitswelt und in
verschiedenen Organisationen des Gesundheitswesens gesundheits- und
umweltpsychologische Aus-, Weiter- und Fortbildungen sowie Coaching und
Supervisionen durch.
-
Sie beraten Organisationen, insbesondere Betriebe, in bezug auf
gesundheitsförderliche Prozesse der Organisationsentwicklung.
-
Sie arbeiten in Selbsthilfe-Organisationen und
Selbsthilfe-Kontaktstellen mit.
-
Sie gestalten gesundheitsbezogene Informationen für die
Öffentlichkeitsarbeit im Feld der Gesundheitsförderung.
2. Psychologische Aufgaben in der Gesundheitsförderung
Zu folgenden Aufgaben in der Gesundheitsförderung tragen
PsychologInnen durch ihre Fachkompetenzen, insbesondere durch
gesundheitspsychologische Kompetenzen, im interdisziplinären Kontext in
besonders qualifizierter Weise bei:
Psychologische Querschnittsaufgaben für die Gesundheit
Folgende psychologischen Aufgaben gelten als wichtige
Querschnittsaufgaben für die Gesundheit in allen Tätigkeitsfeldern und auf allen
Tätigkeitsebenen:
-
Menschen gelten in allen gesundheitsbezogenen Kontexten als sich
selbst bestimmende Personen; sie haben ein Recht auf Selbstbestimmung. Ihre
Fähigkeiten zur Selbstbestimmung und zur Selbsthilfe sind prinzipiell vorhanden
und sind oftmals zu aktivieren und zu fördern.
-
Menschen leben in Kommunikationen und Beziehungen miteinander und
sollten faire Kommunikationen und Beziehungen unter wechselseitiger Anerkennung
von Selbstbestimmung pflegen. Kommunikations-, Beziehungs- und
Kooperationsfähigkeiten sind deutlich mehr zu fördern.
-
Menschen leben, lernen, arbeiten und spielen
alltäglich/allwöchentlich in Gemeinschaften: Familien, Schulklassen,
Arbeitsplätze, Freundeskreise, regelmäßig besuchte Gruppen und Vereine, usw..
Ihr Streben zu sozialer Integration in Alltagsgemeinschaften beeinflusst
deutlich alles Gesundheits-Erleben und -Handeln. Alltagsgemeinschaften sind
primäre Sozialsysteme der Gesundheitsförderung und –verminderung und der
solidarischen Gesundheitshilfe. Alle Gesundheitsförderungsmaßnahmen sollten die
Integration in Alltagsgemeinschaften unterstützen und positiv nutzen.
Diese Aufgaben gelten insbesondere in folgenden
Handlungsfeldern der Gesundheitsförderung: schulische Gesundheitsförderung,
betriebliche Gesundheitsförderung, Gesundheitsförderung für Familien,
personzentrierte Gesundheitsförderungsmaßnahmen, Klient/Patient-Berater/Therapeut-Kommunika-tionen,
Patientenberatung, Selbsthilfeförderung, Maßnahmen zur Krankheitsbewältigung.
Beschreibung personzentrierter Ziele für die Gesundheitsförderung
- positives emotional-kognitives Selbstverständnis: Selbstachtung,
Selbstvertrauen, Selbstbestimmungsfähigkeiten, Bewusstsein zu eigenen
Lebenszielen, Selbstmanagement eigenen Handelns;
-
Gesundheitsbewusstsein als Selbstbestimmungs-Fähigkeit, “gesunde
Entscheidungen zu treffen” (WHO-Ziel), Bereitschaft zu gesundheitlicher
Selbsthilfe und Selbstverantwortung;
-
positive Integration in Alltagsgemeinschaften (s.o.);
-
Sozialkompetenzen zu: Kommunikationen, Kontaktpflege,
Sozialbeziehungen, Stabilisierung von Partnerschaften, fairer Sexualität,
Rollenhandeln, ‚Eltern’-Fähigkeiten für Kinder und Betreute;
-
Stress- und Belastungsbewältigung gegenüber: alltäglichen
Anforderungen, Burn-Out-Phasen, Wandlungsprozessen im Lebenslauf, Sozial- und
Krankheits-Belastungen;
-
gesunde Handlungsweisen: bewusste Wohlfühl-Aktivitäten, Ernährung,
Bewegung, Ausgleichssport, Entspannung, Erholung, Hobbys, Kreativität,
kontrollierter Umgang mit Suchtstoffen;
-
“Empowerment”: soziale Zusammenarbeit zur Verbesserung von
Lebensbedingungen (z.B. in Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen);
ehrenamtliches Engagement im Sinne eigener Lebensziele.
Personzentrierte Maßnahmen der Gesundheitsförderung
-
Maßnahmen für definierte Zielgruppen in den Zielsetzungen,
Inhalten und methodischen Durchführungen konzipieren, durchführen und
evaluieren;
-
vorrangige Zielsetzungen: Selbstverständnis, Körperbewusstsein,
Entspannung, Stressbewältigung, Kommunikation, Partnerschaft,
Gewichtsreduzierung, Nichtraucher-Training, Suchtprävention,
Krankheitsbewältigung, Schmerzbewältigung;
-
Durchführung in verschiedenen Settings: offene Gruppen,
Einzelbehandlung, etablierte Gruppen in spezifischen Organisationen und
Betrieben, Angebote für Selbsthilfegruppen.
Gesundheitsförderung für belastete Familien
-
Zielgruppen: ‚Familien’ (Kleinfamilien, unvollständige Familien,
Alleinerziehende mit Kindern, großfamiliäres Umfeld, familienähnliche
Lebensgemeinschaften etc.) mit ökonomischen und sozialen Belastungen, mit
chronisch erkrankten, psychisch erkrankten, behinderten, pflegebedürftigen,
sterbenden Angehörigen;
-
systemisch-sozialpsychologische Konzeptionen für definierte
Zielgruppen entwickeln, in Modellprojekten durchführen und evaluieren;
-
Fortbildungen von Multiplikatoren, besonders Erziehungs-,
Gesundheits-, und Sozialberufe, für systemisch-sozialpsychologische
Konzeptionen der Gesundheitsförderung.
Aus-, Weiter- und Fortbildungen in Gesundheitsförderung
-
verschiedene Multiplikatoren-Zielgruppen: Berufe des Bildungs-,
Erziehungs-, Gesundheits- und Sozialwesens, Führungskräfte, ehrenamtliche
HelferInnen (z.B. Hospiz-Gruppen);
-
Zielkompetenzen: gesundheitsförderliches Denken und Handeln im
Alltag, systemische Orientierungen für die Gesundheitsförderung, Durchführung
von Gesundheitsfördermaßmahmen.
Projekte zur schulischen Gesundheitsförderung
-
Zielgruppen: Schulklassen und unterrichtende LehrerInnen;
-
vorrangige Zielsetzungen: Persönlichkeitsstärkung und
Sozialkompetenzen zwecks besserer Stressbewältigung und Suchtprävention;
-
Settings: Entsprechend geschulte LehrerInnen führen
Unterrichtscurricula in Schulklassen durch.
Betriebliche Gesundheitsförderung
- Beratung, Unterstützung, Durchführung und Evaluation in
Betrieben zu gesundheitsförderlichen Organisationsentwicklungen, zur Einrichtung
von ‚Gesundheitszirkeln’, zu gesundheitsförderlicher Gestaltung von
Arbeitsbedingungen, zu Kommunikationstrainings für Führungskräfte, zu
Gesundheitstrainings, zu Suchtpräventionsmaßnahmen, usw.
Umwelt- und Gesundheits-Verträglichkeitsprüfung
-
Ziele, Kriterien und Verfahren zusammenführen.
Umweltpsychologische Konzeptionen und Maßnahmen
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Umweltpsychologisches Denken: Menschen verursachen durch ihr
Handeln Umweltveränderungen mit positiven/negativen Auswirkungen, und Menschen
sind von diesen Auswirkungen betroffen.
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Beratung, Fortbildung, Planung und Gestaltung zu psychologisch
gesunden Umweltveränderungen, insbesondere bei der Gestaltung von
Wohnumgebungen, Arbeitsplätzen und Erholungsräumen;
-
Analyse und Bewertung zum menschlichen Erleben von
Umweltveränderungen;
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psychologische Unterstützung zur Bewältigung von umweltbedingten
Krisen und Erkrankungen.
Psychologische Inhalte und Formen der
Öffentlichkeitsarbeit
-
Zielsetzung: Verbreiterung von Gesundheitsförderungs-Bewusstsein
in der Bevölkerung über Fernsehen, Zeitschriften, Internet, usw.
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psychologische Inhalte und psychologisch günstige
Präsentationsformen aufbereiten und einsetzen.
Literatur und Quellen
Rieländer, M.; Hertel, L. & Kaupert, A. (Hrsg) (1995).
Psychologische Gesundheitsförderung als zukunftsorientiertes Berufsfeld. Bonn:
DPV
Rieländer, M. & Brücher-Albers, C. (Hrsg) (1999).
Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert – Ziele der Weltgesundheitsorganisation
mit psychologischen Perspektiven erreichen. Bonn: DPV
© Maximilian Rieländer
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erstellt: 20.05.2001
aktualisiert:
27.10.2003
© Maximilian Rieländer
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